Hypnose als vielversprechende Therapieergänzung in der Neurorehabilitation

Dr. Marina Imperiale arbeitet seit März 2023 in ihrer Rolle als klinische Psychologin bei cereneo. Die psychologische Betreuung der Patient:innen und zum Teil auch der Familienangehörigen ist ein wichtiger Bestandteil der Gesamttherapie und kann die Motivation und den Erfolg massgeblich beeinflussen. Nach ihrem Master in klinischer Psychologie und Neurowissenschaften promovierte Marina mit dem Thema Mental Health und Psychotherapy Outcomes Research. Während dem Studium arbeitete Marina nebenberuflich als Hypnosetherapeutin. Als Begleitinstrument der Bewegungs-, Sprach- und kognitiven Therapie kann die Hypnose den Fortschritt in der Rehabilitation positiv beeinflussen.

Wie bist du zur Hypnose als Therapieform gekommen?

Ich bin von Kindesbeinen an mit der Hypnose als Therapieform aufgewachsen, da meine Mutter bereits seit vielen Jahren als klinische Hypnosetherapeutin tätig ist. Ich habe daher fast mein ganzes Leben die positiven Auswirkungen der klinischen Hypnosetherapie auf Menschen hautnah miterlebt und habe das Interesse und die Faszination daran sozusagen in die Wiege gelegt bekommen. Als ich dann mit dem Psychologiestudium begonnen habe, habe ich die Grundausbildung zur Hypnosetherapeutin abgeschlossen, um selbst damit zu arbeiten.

Wie kann die Hypnose die Rehabilitation unserer Patient:innen unterstützen?

Hypnose ist sehr vielseitig einsetzbar, unter anderem auch in der Neurorehabilitation. Fallstudien in denen die Hypnose im Zusammenhang mit der Neurorehabilitation nach einem Schlaganfall verwendet wird, gehen bis in die 1950er Jahre zurück. Ein Bericht von Harvard und dem Massachusetts General Hospital (Diamond, David, Schaechter & Howe, 2006/Harvard University) hat Ergebnisse von sechs so genannten „case studies“ zusammengefasst und kam dabei zu dem Schluss, dass es qualitative Verbesserungen der motorischen Funktion der paretischen oberen Extremität gab. Zusätzlich berichteten die Patient:innen weitere positive Nebeneffekte, wie z.B. eine verbesserte Perspektive und erhöhte Motivation. Patient:innen mit einer neurologischen Erkrankung erleben häufig auch Ängste und depressive Symptome, auch hier kann die Hypnose sehr hilfreich sein.

Zur Unterstützung der Bewegungstherapie können Übungen während der Hypnose wiederholt werden. Es gibt Hinweise, dass dadurch dem erlernten «non-use» der paretischen Extremität entgegengewirkt wird und so ein besseres Ergebnis in der Rehabilitation erzielt werden kann.

Kann jeder hypnotisiert werden?

Grundsätzlich ja. Jeder kann in einen hypnotischen Zustand gehen. Die Hypnose ist ein natürlicher Zustand. Jeden Tag geht der Mensch mehrere Male in diesen Zustand. Beispielsweise kennt jeder die Situation, einen sehr spannenden Film geschaut zu haben, der 1.5 Stunden dauerte und nachher hat man das Gefühl, es waren nur 5 Minuten. Oder wenn man z.B. etwas tut, das man sehr geniesst und man ein bisschen „wegdriftet“ und ein verändertes Zeitgefühl entsteht.

In welchen Fällen kann man Hypnose empfehlen und in welchen würdest du davon abraten?

Im Grunde genommen spricht nichts gegen die Verwendung von Hypnose als Technik für die psychologische Betreuung. Natürlich muss man den Einzelnen immer ganz individuell betrachten und evaluieren, was das Beste für die Patientin ist. Meine Vorgehensweise ist immer auf den jeweiligen Patienten persönlich zugeschnitten, da für mich die Individualität im Vordergrund steht und ich die Besonderheit jedes einzelnen Menschen berücksichtigen möchte. Bei cereneo legen wir grossen Wert darauf, die Therapien auf die Bedürfnisse und Ziele der Patient:innen zu zuschneiden.

Wie läuft eine Hypnosesitzung genau ab? Wie lange dauert eine Behandlung? Und wie viele Behandlungen benötigt eine Patientin?

Zuerst gibt es ein Vorgespräch, in dem ich mehr über den Patienten, seine momentane Situation, Wünsche und Ziele erfahre. Dabei wende ich u.a. auch Techniken aus personenzentrierten Ansätzen der Psychotherapie nach Carl Rogers wie z.B. Motivational Interviewing an.

Im Vorgespräch kläre ich über die Hypnose auf, um allfällige Ängste oder Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen. Danach wird die Hypnose eingeleitet durch so genannte Induktionstechniken. Dabei geht die Patientin in einen hypnotischen Zustand über, in dem wir dann gezielt an dem Thema der Patientin arbeiten. Die Dauer der Sitzung kann sehr unterschiedlich ausfallen, ist aber meistens 45-50 Minuten. Die Anzahl der benötigten Sitzungen hängt stark von der Zielsetzung ab. Es gibt Ziele wie z.B. Raucherentwöhnung, die typischerweise in 1-2 Sitzungen erfolgreich erreicht werden können und es gibt andere Anliegen, die über einen längeren Zeitraum begleitet werden.

Was genau passiert während der Hypnose? In welchem Zustand befindet man sich dabei?

Hypnose leitet sich vom altgriechischen Wort „Hypnos“ ab, was auf Deutsch nichts anderes als Schlaf bedeutet. Obwohl die Hypnose ein „schlafähnlicher“ Zustand ist, schläft man dabei nicht. Die Ähnlichkeit zum Schlaf liegt darin, dass man tief entspannt ist. Der Unterschied zum Schlaf besteht darin, dass man in der Hypnose eine sehr fokussierte Aufmerksamkeit hat, in der man gezielt an etwas arbeitet. Man konnte nachweisen, dass Hirnregionen von Menschen in Hypnose unterschiedlich aktiv sind und auch anders miteinander verknüpft sind. Dabei sind Lern- und Verarbeitungsprozesse hoch aktiv. Auch Schmerz wird in der Hypnose anders wahrgenommen, weshalb die Hypnose auch oft in der Schmerztherapie verwendet wird, wie zum Beispiel bei Operationen oder Zahnarztbehandlungen.

Gibt es Risiken oder Nebenwirkungen, welche während oder nach der Hypnose auftreten können?

Hypnose hat eine Wirkung und deshalb ist eine kompetente Therapeutin wichtig. In der therapeutischen Hypnose gibt es keine unerwünschten Auswirkungen.
Eine völlig andere Geschichte sind Schauhypnosen. Persönlich kann ich nicht hinter Schauhypnosen stehen, weil dabei die Grundvoraussetzung, die Würde des Menschen zu schützen, nicht garantiert werden kann. Daher besteht im Entertainment Bereich bei der Verwendung von Hypnose durchaus das Risiko von unerwünschten Auswirkungen. In der therapeutischen Hypnose gibt es aber dieses Risiko nicht.

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