Die Rolle des Schlafs in der Neurorehabilitation

Obwohl wir fast ein Drittel unseres Lebens im Schlaf verbringen, ist die Schlafmedizin noch ein recht junges Gebiet in der Wissenschaft. Unser Schlaf ist jedoch eine entscheidende Grundlage für unsere körperliche und geistige Gesundheit – egal ob krank oder gesund.

Schlaf in der Neurorehabilitation

Patient:innen mit neurologischen Einschränkungen leiden sehr häufig unter Schlafstörungen, was sich negativ auf die Stimmung, Motivation, Rehabilitationsfortschritte und das Wohlbefinden auswirkt und dauerhaft auch das Risiko für Depressionen mit sich bringen kann. Guter und ausreichend Schlaf ist daher wichtig für die Leistung und Motivation. Ausserdem ist gesunder Schlaf eine Grundlage für die Neuroplastizität unseres Nervensystems: die Fähigkeit, neue neuronale Verbindungen aufzubauen und sich dadurch an veränderte Bedingungen anzupassen, ist unter anderem von der Länge und der Qualität des Nachtschlafes abhängig.

Wie schlafen wir?

Unser Schlaf ist ein komplexer biologischer Prozess, der in verschiedene Phasen unterteilt ist. Diese wechseln sich in sogenannten Schlafzyklen ab, die bei einem Erwachsenen etwa 90 Minuten dauern. Pro Nacht durchlaufen wir in der Regel 4–6 solcher Zyklen.

Der Schlaf gliedert sich in zwei Hauptarten:

Non-REM Schlaf: Dieser Teil des Schlafs ist unterteilt in drei Phasen von leichter Entspannung bis zur tiefsten Erholung und stellt ca. 75 bis 80% unserer Schlafzeit dar. In dieser Phase findet auch der Tiefschlaf oder langsamwellige Schlaf (Slow-Wave-Sleep, SWS) statt. Der langsamwellige Schlaf ist der tiefste und erholsamste Schlaf. Hier verlangsamt sich die Gehirnaktivität, der Körper regeneriert sich, Wachstumshormone werden freigesetzt und Immunfunktionen und Zellreparaturen werden aktiviert. Der langsamwellige Schlaf ist damit besonders wichtig für die körperliche Erholung und Gehirnregeneration.

REM Schlaf: In dieser Phase, die ca. 20-25% der Schlafzeit ausmacht, ähnelt die Gehirnaktivität dem Wachzustand, während die Muskulatur entspannt und fast vollständig gelähmt ist. Diese Phase ist gekennzeichnet durch lebhafte Träume und die Konsolidierung von emotionalen und kognitiven Erinnerungen.

Warum ist guter Schlaf entscheidend nach einer Hirnverletzung?

Insbesondere der langsamwellige Schlaf ist wichtig für die motorische und kognitive Rehabilitation nach Hirnverletzungen, wie einem Schlaganfall oder einer traumatischen Hirnverletzung.

Aufbau neuronaler Verbindungen: In der neurologischen Rehabilitation spielt die Neuroplastizität eine elementare Rolle bei der Wiedererlangung von Fähigkeiten, die durch eine Hirnschädigung verlorengegangen sind. Vor allem der langsamwellige Schlaf fördert die Neuroplastizität und unterstützt die Bildung neuer neuronaler Verbindungen, die für die motorische und kognitive Erholung essenziell sind.

Abbau von Stress: Schlaf hilft, die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol zu regulieren, die den Heilungsprozess behindern können.

Verbesserung der Durchblutung: Der Ruhezustand des Gehirns im Tiefschlaf fördert die körpereigene Reparatur von oxidativen Schäden und den Abtransport von nervlichen Abfallstoffen durch das glymphatische System.

Auch therapeutische Ansätze können zur Schlafverbesserung beitragen:

Transkranielle Gehirnstimulation:
Technologien wie transkranielle Magnetstimulation (TMS) oder elektrische Stimulation könnten gezielt eingesetzt werden, um Schlaf und Hirnplastizität zu fördern.

Verhaltenstherapie:
Kognitive Verhaltenstherapie für Schlafstörungen (CBT-I) kann helfen, die Schlafeffizienz zu verbessern und Schlafprobleme zu lindern.

Schlaflabor:
Im Rahmen einer stationären Neurorehabilitation bei cereneo führen wir bei Patient:innen mit Auffälligkeiten in der Anamnese und/oder im Screening eine Schlaflabornacht durch, um das Vorliegen von organischen Schlafstörungen (z.B. eine Schlafapnoe) zu beurteilen.

Praktische Tipps zur Schlafverbesserung

Patient:innen und ihre Angehörigen können die Genesung durch eine optimierte Schlafumgebung und gute Schlafgewohnheiten unterstützen:

  • Ein abgedunkeltes, ruhiges und gut belüftetes Schlafzimmer kann die Schlafqualität verbessern.
  • Vermeidung von Lärmquellen, etwa durch Schallschutz oder Ohrstöpsel.
  • Feste Schlaf- und Aufstehzeiten stabilisieren den Schlaf-Wach-Rhythmus und fördern einen erholsamen Schlaf.
  • Regelmässige Exposition am Tageslicht oder Einsatz von Lichttherapie-Lampen vor allem in den Morgenstunden (sofern im medizinischen Kontext der Patient:innen umsetzbar) fördern einen stabilen Schlaf-Wach-Rhythmus (und damit auch den Nachtschlaf) und heben die Stimmung.
  • Meditation, Atemübungen oder progressive Muskelentspannung vor dem Schlafengehen können den Körper auf den Schlaf vorbereiten.
  • Vermeiden Sie den Gebrauch von Smartphones oder Tablets mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen, um den Einfluss von blauem Licht auf die Melatoninproduktion zu reduzieren.
  • Koffein und Alkohol vermeiden.
  • Regelmässige Bewegung, angepasst an den Genesungsstand, fördert nicht nur die körperliche Rehabilitation, sondern auch den Schlaf.

Der Schlaf als wichtige Komponente in der Neurorehabilitation

Forschungsstudien unterstreichen die Bedeutung des Schlafs als Schlüsselkomponente in der Genesung nach einer Hirnverletzung. Während wissenschaftliche Fortschritte neue Therapien ermöglichen, können auch einfache Massnahmen im Alltag den Schlaf verbessern und damit zur Heilung beitragen. Eine Kombination aus moderner Neurorehabilitation und schlaffördernden Strategien kann die langfristigen Therapieergebnisse neurologischer Patient:innen maximieren.

 

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